Geboren in ärmsten Verhältnissen bin ich in einem kleinen Dorf im Norden aufgewachsen. Meine Familie verdiente ihren Lebensunterhalt mit der Ziegenzucht und einem kleinen Gemüsegarten. Das Einkommen reichte geradeso aus, um uns einigermaßen zu ernähren und die Abgaben an den Großgrundbesitzer zu entrichten. Das Leben war hart, aber man kam über die Runden. Zwölf Jahre lang habe ich nichts Anderes kennengelernt außer dem einfachen Dasein eines Ziegenzüchters, bis zu dem Tag, als unser Dorf überfallen wurde.
Eine Gruppe von Wegelagerern stieß auf unser Dorf, welches für sie leichte Beute schien. Es war früh am Morgen, die Sonne ging gerade auf, als wir die ersten Schreie hörten. Kurz darauf wurde es hell, ein Feuer wütete in der Hütte des Hufschmieds. Mein Vater gab mir ein Stück Brot und schickte mich in den Wald. Ich sollte immer Richtung Norden laufen, er und meine Mutter würden mich bald einholen. Also lief ich, wie mein Vater mir geheißen. Ich lief, bis meine Beine brannten. An einem Fluss ließ ich mich fallen und wartete. Es verging viel Zeit, mir kam es vor wie eine halbe Ewigkeit. Die Sonne stand rot am Abendhimmel als ich es wagte mich aufzurichten. Im Süden sah ich Rauchsäulen aufsteigen und ich bekam ich es mit der Angst zu tun. Als es dunkel wurde legte mich unter einen Baum um etwas zu schlafen, in der Hoffnung, meine Eltern würden am nächsten Morgen bei mir sein. Jedoch sollte sich meine Hoffnung nicht erfüllen. Ich war allein, wusste nicht was ich tun sollte. Ich nahm allen Mut zusammen und begab mich in Richtung meiner Heimat. Als ich am Waldrand ankam und auf das Dorf blickte überkam mich ein Bild des Schreckens. Jedes Haus, jeder Stall, alles war verbrannt. Ich sah verkohlte Überreste von Tieren und Menschen. Bei der Stelle angekommen, die einmal unsere Hütte war, fand ich nichts als Asche und verkohltes Holz. Dazwischen sah ich zwei schwarze Silhouetten.
Orientierungslos und ausgehungert streifte ich zwei Tage lang durch die umliegenden Wälder, bis ich vor Erschöpfung zusammenbrach. Als ich aufwachte lag ich in einem Zelt, eingewickelt in eine alte Decke. Ich setzte mich auf und sah mich um. Jemand sprach zu mir und wollte wissen wer ich bin und wo ich herkomme. Ich antwortete nicht. Der Mann fragte mich, ob ich aus dem Dorf käme das niedergebrannt ist. Ich nickte kurz. Er reichte mir einen Becher mit Wasser und sagte, es täte ihm leid was passiert ist. Nach drei Tagen meinte er, dass er mich zur nächsten Stadt bringen werde, da er keine Zeit hat, sich um mich zu kümmern und weil es das Beste sei, wenn ich dort mein Glück versuche. Obwohl ich nicht wollte und über seinen Vorschlag klagte, brachen wir auf. Ich beteuerte ihm nicht zur Last zu fallen und erklärte, dass ich schnell lernen würde zu jagen und zu kämpfen. Aber dies wollte er nicht hören und so marschierte er schweigend, verhüllt von seinem grünen Umhang weiter. Nach vier Stunden endlosen Marschierens durch den Wald, wies er mich flüsternd an ruhig zu sein. Ich erstarrte sofort und schaute mich um, doch konnte ich nichts erkennen. Plötzlich standen drei Gestalten mit gezogenen Schwertern neben uns. Ausgerechnet in diesem Moment fiel mir auf, dass ich nicht einmal den Namen meines Retters kannte. Dieser zog sofort sein Schwert, eine meisterlich aussehende Klinge. Etwas völlig anderes als diese einfachen Schwerter die man sonst sieht. Die drei Männer gingen auf ihn los, er parierte einen Angriff, schlug einige Male zu und drehte sich und sprang hin und her. Nach gerademal einer Minute war der Kampf vorüber und auf dem Waldboden lagen drei Leichen.
Ich wollte wissen, wo er gelernt habe so zu kämpfen und ob er mich selbiges lehren könne. Er sagte nur, er habe dies in seinem früheren Leben gelernt, aber habe weder die Zeit, noch die Muße einen Schüler zu unterweisen. Um meinen Mut und meinen Willen zu beweisen rannte ich auf ihn zu und griff nach seinem Schwert. Er versetzte mir einen Schlag und ich ging zu Boden. Er sah mich an, wies mich an ihm weiter zu folgen und leise zu sein. Die Wälder seien heutzutage gefährlicher geworden. Als es dunkel wurde, sagte er, dass wir hier unser Nachtlager aufschlagen. Er machte Feuer und gab mir etwas Trockenfleisch. In dem Moment, als ich genug Mut gesammelt hatte ihn nach seinem Namen zu fragen stand er auf und blickte sich um. Er sah zu mir und sagte ich solle mich verstecken. Ich legte mich in das nächste Gebüsch das ich finden konnte. Diesmal standen zwei Männer vor ihm. Ich konnte nicht verstehen was sie sagten, aber es schien keine freundliche Unterhaltung zu sein. Dann raschelte es leise neben mir, ich drehte mich um und sah eine weitere Person. Diese hatte einen Bogen in der Hand. Ohne nachzudenken nahm einen Stein auf, sprang auf und erschlug den Schützen, welcher den gespannten Bogen los lies und so einen Schuss abgab. Glücklicherweise verfehlte der Pfeil sein Ziel und traf stattdessen einen der beiden Fremden. Der Zweite ging nach einem Schwerthieb meines Gefährten zu Boden. Ich lief zum Lagerplatz und zitterte am ganzen Körper. Er sagte: „Gut gemacht Junge! Ich verdanke dir mein Leben. Du darfst mich Yvain nennen.“ Ich nannte ihm meinen Namen, welchen er sehr ungewöhnlich fand. Obwohl er schon sehr viel von der nördlichen Welt gesehen habe, hätte er diesen Namen noch nie gehört.
Am nächsten Morgen weckte er mich schroff und gab mir ein altes Schwert. Ich sollte gegen ihn Kämpfen. Den ersten Schlag parierte ich doch bekam ich seinen Stiefel in den Bauch und ging zu Boden. Die nächsten Wochen verbrachte ich mit Schwertkampfübungen, Jagen, Fischen und lernte, mich leise zu bewegen. Mein Körper war übersäht mit Prellungen und blauen Flecken. Doch mit der Zeit wurde ich besser und besser. Etwa ein Jahr später muss es gewesen sein, als ich eines Morgens aufwachte und mich allein wiederfand. Yvain war verschwunden. Ich fand nur noch ein Fellbündel mit einer Schnur drum herum. Als ich das Bündel öffnete fand ich sein Schwert darin und eine Nachricht:
„Es ist Zeit das du deinen eigenen Weg findest. Unsere Zeit hier ist vorüber, jedoch überlasse ich dir mein Schwert „Stille Wache“ als Zeichen meines Dankes dafür, dass du mein Leben gerettet hast.“
Nun war ich 13 Jahre alt, hatte ein Schwert, einigermaßen gelernt zu kämpfen und mich selbst zu versorgen. Doch wusste ich nicht wohin ich gehen sollte, also blieb ich in den Wäldern und lebte von der Jagd. Zehn Jahre gingen ins Land, während ich alles und jeden zu meiden versuchte. Gelegentliche Gespräche mit fahrenden Händlern um Felle zu verkaufen und einige Annehmlichkeiten wie Tabak zu kaufen, waren die einzigen Kontakte zu anderen Menschen die ich kannte. Doch eines Tages sah ich eine Gruppe von Banditen und anderem Gesindel. Nichts was ich nicht schon oft gesehen hätte, aber etwas forderte meine Aufmerksamkeit. Einer von ihnen trug einen Gürtel. Ein dunkelbrauner Ledergürtel in den etwas eingeprägt wurde:
„Bescheidenheit und Ehre“
Das war der Gürtel meines Vaters. In mir kam Hass auf, ein stärkeres Gefühl als je zuvor. Den Bogen gespannt stand ich auf einer Anhöhe und wartete. Dann schoss ich. Einer der Männer fiel, dann ein zweiter und ein dritter. Erst dann bemerkten sie was passierte. Die übrigen griffen nach ihren Waffen und rannten auf mich zu. Zwei weitere fielen meinem Bogen zum Opfer, dann zog ich mein Schwert und streckte die übrigen vier nieder. Bis auf einen. Er war deutlich älter als die anderen und schien in diesem Moment große Angst zu verspüren. Ich nahm ihm den Gürtel ab, fragte ob er sich an den Tag erinnere an dem er ihn sich angeeignet hat. Er antwortete nicht, jedoch sah man in seinen Augen, dass er sich erinnerte. Ich holte aus und trennte ihm den Kopf ab. So gut das Gefühl war, Rache zu üben, genauso schwer fiel es mir diesem Mann in die Augen zu sehen als ich ihn tötete. Mit diesem Gefühl lebte ich drei weitere Jahre allein und abgeschieden.
An einem rauen Herbsttag stürzte ich einen Abhang hinunter und verletzte mich am Bein. Alleine konnte ich mich kaum bewegen und dachte, dass meine Zeit gekommen sei. Ich sah jemanden durch den Wald laufen, jemand mit einer Axt. Das sollte es dann wohl gewesen sein. Ich wartete nur noch darauf, niedergestreckt zu werden und vor meinen Schöpfer zu treten. Doch kam es anders als erwartet. Der schroffe Kerl sah mich, verband die Wunde an meinem Bein und schleppte mich zu seinen Mannen. Im Lager wurde die Wunde gereinigt und sehr gut behandelt. Es dauerte zwei Tage bis ich anfing mit den Leuten zu reden. Ich fand heraus, dass es sich um Söldner handelt, die zwar nicht gerade den besten Umgang pflegten, aber ihre Prinzipien hatten. Auf eine merkwürde Weise fing ich an diese Leute zu mögen. Also entschloss ich mich bei ihrem Anführer, dem Jarl vorzusprechen. Ich erzählte von meinem bisherigen Leben und meinen Fähigkeiten. Schließlich kam ich mit ihm überein, dass ich mich als Kundschafter versuchen werde. Ein seltsames Gefühl, sich nach vielen Jahren der Einsamkeit einer Gruppe von Menschen anzuschließen, aber ich sollte es nicht bereuen mich den „Schwarzen Moorteufeln“ anzuschließen…